Die AGAT trauert um Prof. em. Dr. Theodor Seidl ✝ 1.3.2025

Die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Alttestamentlerinnen und Alttestamentler (AGAT) trauert um ihr langjähriges Mitglied Prof. em. Dr. Theodor Seidl, der am 1. März 2025 verstarb.

Kath.-Theol. Fakultät Würzburg

Theodor Seidl wurde am 15. September 1945 in München geboren. Nach seinem Abitur am Gymnasium der Benediktiner in Scheyern studierte Theodor Seidl Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Anschluss an das Theologiestudium beschäftigte er sich in seiner Dissertationsschrift mit „Texten und Einheiten“ sowie „Formen und Formeln“ in Jeremia 27–29. 1975 wurde er zum Dr. theol. promoviert und seine Dissertationsschrift wurde in der Reihe „Arbeiten zu Text und Sprache im Alten Testament“ in zwei Bänden 1977 und 1978 veröffentlicht. Seine wissenschaftliche Arbeit setzte Theodor Seidl in München fort und habilitierte sich 1982 mit einer Untersuchung zu „Tora für den ‚Aussatz‘-Fall. Literarische Schichten und syntaktische Strukturen in Levitikus 13 und 14“. 

Von 1986 bis 1991 lehrte er als Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bevor er 1991 dem Ruf an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg folgte. Hier hatte er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2010 den Lehrstuhl für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen inne. An der Universität in Würzburg engagierte sich Theodor Seidl hochschulpolitisch in der Gremienarbeit. Zudem war er von 1997 bis 1999 Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät.

Theodor Seidl war ein vielfältiger und engagierter Hochschullehrer, der wissenschaftliche Präzision mit Weitblick verband. Er führte zum einen die Tradition der Richterschule in seinen Forschungen mit eigenen Akzenten fort. Bis weit über seine Emeritierung hinaus arbeitete er an der althebraistischen Datenbank zur Valenzanalyse sämtlicher Verbal- und Nominalsätze der Hebräischen Bibel. Lange Jahre organisierte er die Münchner Tagung der Schüler Wolfgang Richters und deren Schüler:innen samt Kulturprogramm. Zum anderen zeichnete ihn die Fähigkeit aus, Brücken zwischen verschiedenen Disziplinen zu schlagen, vor allem mit Blick auf die Rezeptionen der Hebräischen Bibel in Musik, Kunst und Literatur. Exemplarisch hierfür sei einer seiner jüngsten Aufsätze zu „In exitu Israel de Aegypto. Geschichte – Mythos – Musik. Eine Auslegung des 114. Psalms (MT)“ aus dem Jahr 2022 genannt. Sein interdisziplinäres Interesse zeigte sich besonders in seinem Engagement als erster Sprecher des Graduiertenkollegs „Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz in religiösen Symbolsystemen“, das von 1998 bis 2008 wegweisende Impulse setzte. International war Theodor Seidl vor allem mit Kolleginnen und Kollegen aus Südafrika, Korea und Island verbunden.

Die Nachwuchsförderung war Theodor Seidl ein besonderes Anliegen. Im Laufe seiner akademischen Karriere betreute er einen großen Kreis an Schülerinnen und Schülern. Unter seiner Anleitung entstanden zahlreiche Qualifikationsarbeiten, die unser Fachgebiet nachhaltig bereicherten. Er pflegte beständig Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitenden, Kollegen und Weggefährten. Seine Fähigkeit, Netzwerke zu schaffen und zu erhalten, war bemerkenswert und sorgte dafür, dass wissenschaftliche und persönliche Verbindungen weit über seine aktive Zeit hinaus bestehen blieben.

Seine Studierenden schätzten ihn nicht nur wegen seines fundierten Fachwissens, sondern auch wegen seiner Offenheit, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft. Besonders in Erinnerung bleiben seine eindrucksvollen Exkursionen nach Israel, Syrien, Jordanien, Ägypten und Zentralanatolien, die er mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail vorbereitete. Für sein Engagement in der Lehre erhielt er 2009 den „Preis für gute Lehre“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn war Theodor Seidl ein leidenschaftlicher Musiker. Als begabter Cellist und Pianist bereicherte er das kulturelle Leben innerhalb und außerhalb der akademischen Welt. Vielen von uns sind die Cellokonzerte während der Tagungen unserer Arbeitsgemeinschaft in besonderer Erinnerung.

Mit seinem Tod verliert die alttestamentliche Wissenschaft nicht nur einen herausragenden Forscher und Lehrer, sondern auch einen warmherzigen, humorvollen und lebensklugen Menschen. 

Die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Alttestamentlerinnen und Alttestamentler wird Theodor Seidl ein ehrendes Andenken bewahren.